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EsGibtEinRechtAufSchund

Mal wieder eine Seite für die Anhänger des manieristischen Konservativismus, die es ja schon immer gewußt haben, daß es mit der westlichen Zivilisation bergab und zu Ende geht. Wer meint, er müsse gegen den Schund und andere Unarten der Kulturproduktion ankämpfen, der oder die kann sich eifrig beteiligen – natürlich nur streng nach der alten Rechtschreibung und mit der nötigen Selbstgerechtigkeit, auf daß das alte Vorurteil, daß 90 Prozent aller Webseiten lediglich Seifenblasen zur Selbstbestätigung seien, die ihm gebührende Bestätigung findet.
Muß ich eigentlich tatsächlich noch erwähnen, daß Argumente gegen ein Recht auf Schund völlig überflüssig sind? So ist das nun mal bei Gewohnheitsrechten.

Ich werde Betriebswirt

Früher (das ist übrigens ein Wort, das auf dieser Seite immer fett geschrieben werden muß) begegnete man solchen Sprüchen ja nur auf der Rückseite von den diversen Fernseh-Zeitschriften und Magazinen. Und damals waren die Ziele noch ein bißchen zurückhaltender: Sie schreiben gerne? In zehn Schritten zum eigenen Buch. Und für Leute, die noch deutlich vor der Midlife-Crisis standen: Fachabitur leicht gemacht. Der schon sprichwörtliche EDV-Führerschein rühmte sich dagegen für alle Altersklassen erreichbar zu sein.
Jetzt schaut einen aber das Gesicht eines jungen Mannes gross und stolz von der Plakatwand herunter an: "Schluß mit dem Versagertum, ich werde Betriebswirt!" Das zielt nicht mehr etwas verschämt auf verschüttete kunsthandwerkliche Fähigkeiten, sondern mitten ins Leben und direkt auf die Identität.
Aber ich kann mir nicht helfen, da mag der Scheitel des jungen Mannes noch so erfolgsorientiert gekämmt sein, bei "Ich werde Betriebswirt", fällt mir als erstes die alte Dorfweisheit ein:

Wer nix ist und wer nix kann, geht zur Post oder zur Bahn. Und wer da nix wird, wird halt Wirt.

Knackarsch? Kein Problem!

Im wesentlichen besteht der Po aus nur einem Muskel, dem Glutaeus Maximus. Dieser größte Muskel des menschlichen Körpers neigt wie kein anderer dazu, der Schwerkraft zu verfallen.

Das ist ja eigentlich gar nicht so unflott geschrieben für ein Magazin, bei dem man nicht weiß, ob man über den Namen oder über den Untertitel länger grübeln soll: Matador – "Männer wollen's wissen". Die Fortsetzung dieser Einleitung über den Glutaeus Maximus reiht sich dann aber wieder in beste Men's Health Tradition ein:

Wird er nicht trainiert, geht er irgendwann aus der Form und hängt schlaff in der Hose.

Um nicht des unvollständigen Zitierens gescholten zu werden, sei noch bemerkt, daß die Sätze ebenso wie die Überschrift aus der Juni/Juli Ausgabe entnommen sind. Bevor aber jetzt jemand zum Kiosk rennt, um sich das Heft und das Trainingsprogramm reinzuziehen, verrate ich es lieber gleich, auch wenn ich mich damit oute, als einer, der den Artikel ganz gelesen hat: Strecksprung und Sumo-Kniebeuge. Für alle, die sich jetzt wundern, weil das vor ihrem geistigen Auge auftauchende Sumoringer-Hinterteil nicht mit dem Versprechen der Überschrift zusammen passen will: Die Sumo-Kniebeuge muss nicht unbedingt von einem Sumo-Ringer ausgeführt werden. Ich glaube auch schon mal gehört zu haben, daß Jane Fonda für sich in Anspruch nimmt, die eigentliche Erfinderin dieser Übung zu sein. Allerdings sind meine Einblicke in die zur Zeit aktuellen Aerobic-Programme äußerst begrenzt, insofern halte ich mich mal mit einer weiteren Aussage hierzu zurück.

Selten wo gelacht -- Publikumsbeschimpfung Teil 2

Folgender Absatz ist aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 19.Dez.2004. Der Artikel als ganzes geht um den schwächelnden oder nicht vorhandenen Humor der Deutschen. Während er anfangs noch die aktiven Humoristen kritisiert, kippt er später in eine kleinere Publikumsbeschimpfung um, und gibt zwischen den Zeilen zu verstehen, das die Deutschen eben die Komiker haben, die sie verdienen. Muss ich extra erwähnen, daß die FASZ die alte Rechtschreibung benutzt?

Das Wort "Toll Collect" ist im deutschen Kabarett eine Witz-Selbstschußanlage. Erwähnt es der Kabarettist, lacht das Publikum. Ähnliche Wirkung haben die Worte "Dieter Bohlen" und die Kombination von "Angela Merkel" und "Frisur". In diesen Fällen lacht das Publikum, weil es sich sowohl für intelligenter als Dieter Bohlen hält als auch für besser frisiert als Angela Merkel. Teile des Publikums überschätzen sich da.

Falls jetzt der Eindruck entstanden ist, ich hätte eine Abneigung gegen den elitären Manierismus und das Schubladendenken der FA(S)Z, ist das nicht völlig ungewollt. Aber die zitierten Sätze haben mir wirklich voll aus der Seele gesprochen. Schliesslich habe ich auch so meine Erfahrung mit dem Kirchentagspublikum (übrigens ein beliebtes Opfer der FAZ-Häme: kein Artikel über den Kirchentag ohne über das Outfit der Besucher zu mäkeln), das Klaus Töpfer, damals 1989 noch Umweltminister der Regierung Kohl, für seine Aussagen zu handelbaren Emissionsrechten mit Mißfallen bedacht hat und keine 10 Minuten später dem ebenfalls anwesenden Ulrich von Weizsäcker – obwohl bezahlter Wissenschaftler hatte er wohl den Gut-Menschen-Bonus – für inhaltlich die gleichen Sätze, die aber etwas anders formuliert waren, lauthals applaudiert hat.

Flatrate

Wieso werden Flatrates eigentlich so oft mit vollbusigen Frauen beworben?

Jeder, der mit ein bisschen Schulenglisch ausgestattet ist, denkt doch bei Flatrate schon allein wegen der Alliteration an flach, auch wenn das englische flat in diesem Fall eher mit eben, glatt oder pauschal zu übersetzen wäre (jedenfalls laut http://dict.leo.org). Die meisten werden sich noch daran erinnern, dass es mal einen Trend gab, der sich kurz Flach nannte, aber natürlich flach-busig meinte. Das war selbstverständlich vor der Zeit des modernen Push-Up- und Wonder-Bras.

Das Manko dieser Flach-Mode aus Sicht des Werbeschaffenden ist, dass es deutlich mehr Textilmaterial braucht, um diesen Style effektvoll darzustellen. Mit einem Bikini-Oberteil ist es dabei nicht getan, da sollte es schon ein kompletter Pullover sein. Nun glaube ich ja nicht, dass es der ultimative Werbeerfolg wäre, wenn die diversen Anbieter jetzt ihre Tarife mit einem Bild von zum Beispiel Petra Kelly bewerben würden. Aber es verursacht mir eben innerliche Schmerzen, wenn so unbeholfen gegen Grundlinien der menschlichen Wahrnehmung verstossen wird.

Schrecklichstes Beispiel ist da immer noch der Telekom-Anbieter Mox, der vor einiger Zeit mal kleinformatige Anzeigen mit dem Titel "Haben Sie 'ne Nase für günstige Tarife?" schalten ließ. Darauf war ein pfiffig blickender Männerkopf zu sehen, dessen Nase per Morphing auf sicherlich 15 Zentimeter verlängert war. Nun denkt aber jeder normale Mensch, wenn er diese Nase sieht, an Pinocchio und daran, dass dessen Nase dann lang wurde wenn er log. Was die Anzeige also tatsächlich vermittelt ist: Wir haben die günstigsten Preise und wir sind große Lügner!

Disco-Unterhosen

Es gab ja mal Zeiten – um die fast schon unvermeidliche Einleitung mit früher zu vermeiden – da war alles noch klar getrennt und einfach einzuordnen. Wenn es um das Substantiv Rock ging, konnte man sich, zumindest als Deutscher, an die denkbar einfachste Regel halten:

Ist das Präfix davor deutsch, dann geht es um das Kleidungsstück. Ein englisches Attribut dagegen bezieht sich immer auf den Musikstil.

Kleine Kostprobe: Hard-Rock, Blues-Rock, Glocken-Rock, Monster-Rock, Wickel-Rock … Genau, jedesmal richtig gelegen, da braucht man keinen Fifty-Fifty Joker, um zu wissen was Sache ist.

Ganz vereinzelt gab es Grenzüberschreitungen, wie zum Beispiel den Mini-Rock. Wobei da aber eher die Streitfrage war, ob Mini jetzt als deutsches Wort zu zählen ist oder nicht. Und dann ist da natürlich auch noch der Klassiker unter den abgenutzten Wortspielen: der Schotten-Rock. Er war über lange Zeit bei Musik-Journalisten sehr beliebt, wenn mal wieder was über die neue Platte von Simple Minds oder Runrig geschrieben werden musste, die Musik aber, was bei diesen beiden Bands häufiger der Fall war, überaus nichtssagend war. Oft war dann was von bodenständigem Schotten-Rock zu lesen, der sich selber treu bliebe, was ja schon mal nichts schlechtes sei.

Jetzt aber zum aktuellen Beispiel: Crash-Rock
Man kennt Thrash-, Trash- und Death- Metal, da ist doch Crash-Rock eine dankbare Aufgabe, wenn ums Kategorisieren geht. Tja, denkste. Der Chrash-Rock wird nämlich nicht in dunklen Kellern oder als Hintergrundmusik auf der Boxauto-Bahn gespielt, sondern er liegt im Supermarkt-Regal. Früher wäre das noch ein Knitter-Rock oder bei ganz Hartnäckigen ein "Faltenrock Turbo" gewesen. Aber vielleicht gibt er ja auch spezielle Sound-Effekte beim Anziehen von sich und rechtfertigt damit den englischen Namen.

Anscheinend findet Kultur – allen Auguren zum Trotz, die das Internet als den grossen Kulturkampf-Platz ansehen, – eben doch in erster Linie im Supermarkt und bei Aldi statt. Dort findet sich auch die Lösung für die Disco-unterhosen aus der Überschrift: Als ich das erste Mal von Disco-Unterhosen las, wusste ich damit natürlich auch nichts anzufangen, aber es war eine plausible Erklärung dafür, weshalb mich die Leute in den Discotheken immer so komisch angeschaut haben. Ich hatte die falsche Unterhose an, die richtigen sind die, die bei Schwarzlicht auch unter der Jeans reflektieren. Und ich dachte schon, die Blicke hätten was mit meinem Alter zu tun.
Wochen später habe ich gemerkt, dass ich ein Opfer der Silbentrennung geworden war: Die Sprach-Routiniers haben es sicher schon gemerkt, es sind Discounter-Hosen und keine Disco-Unterhosen.

Ich werde Klima-Schützer ... und meine Bank hilft mir dabei

Tja, soll man sich darüber wirklich beklagen? Man könnte ja auch sagen, die Banken nehmen Abschied vom Materialismus und investieren in Ethik und gutes Gewissen. Und dann läge Marx eben doch falsch mit seiner Beobachtung, dass die Entwicklung von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft eine Entnüchterung von der "patriachalischen, idyllischen, buntscheckigen Feudalbande zur nackten und gefühllosen baren Zahlung zwischen Vorgesetztem und Arbeiter" mit sich brachte.

Jedenfalls sieht man jetzt allenthalben solche Werbesprüche wie Kosten sparen, Klima schützen. "Kosten sparen", geht natürlich nur durch Investitionen in Wärmedämmung am Gebäude. Gespart wird also nix, sondern es stehen erst mal ordentlich Investitionsausgaben an. Nicht dass ich es jemand generell übel nehmen will, dass er sich an den klugen Spruch von Saint-Exupery hält: "Wenn du ein Schiff bauen willst, dann erzähl' deinen Leuten nicht, wo und wie sie das Holz dazu her bekommen, sondern schwärme ihnen von der Weite und Grossartigkeit des Meeres vor." Es gab' ja auch schon Zeiten, da hat man Leuten einen Kredit aufgeschwatzt, weil sie dann endlich mal das (und noch viel mehr) haben können, was der Nachbar auch hat.

Aber es ist halt so billig, jetzt wo alle im Chor der erneuerbaren Energien singen, einfach auch mit zu gröhlen.

Geht man realistischerweise z.B. von jährlich um 5 Prozent steigenden Energiekosten aus, summiert sich die Einsparung in 20 Jahren auf fast 60.000 Euro.

Also entweder sagt man "zum Beispiel" und bezieht sich damit auf eine Fallstudie oder ein Gedankenmodell – meistens deshalb um die daraus folgende Rechnung einfach zu halten. Oder man gibt reale Werte an, die man dann auch realistisch nennen darf, nur gibt es dann auch das nette Problem, dass man für diese "realistischen" halt leider auch eine Quelle angeben muss. Aber "realistischerweise zum Beispiel" ist schlichtweg kompletter Quatsch.

Und damit wir hier auch ein bisschen Aufklärung und Outing betreiben: Der Spruch ist von der Bank mit dem blauen Logo.

Wirkt doppelt

Seit einiger Zeit sind diese Anzeigen jetzt schon in Karlsruhe zu sehen. Ob sie sonderlich erfolgreich sind, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls haben sie es geschafft, das eherne Gesetz dieser Seite "Keine Bilder! Was gesagt werden kann, kann klar gesagt werden … und zwar in Worten." zu durchbrechen.

Nivea "stress protect" wirkt doppelt. Gegen Stress-Schwitzen und gegen normales Schwitzen

Was soll dieser Unfug? Das Zeug wirkt eben einfach gegen Schweiß. Dem Deo ist es doch völlig egal, ob der Schweiß-Ausstoß von körperlicher Anstrengung her kommt, oder ob er durch psychische Belastung bedingt ist. Der chemische Prozess, der da abläuft, ist eh immer der gleiche: Buttersäure-Moleküle werden durch irgendwelche Moleküle im Deo zersetzt … oder vieleicht auch nicht zersetzt, sondern nur an andere Moleküle mit einer Katalysator Funktion gebunden, so dass sie sich nicht verflüchtigen und fremde Nasen belästigen können. In der Hinsicht mag es vielleicht Unterschiede zwischen den Deos geben. Aber versuch das mal auf einem Plakat an den potentiellen Käufer rüber zu bringen. Hoffnungslos! Da verleiht man dem Deo doch lieber die Fähigkeit zum Mitgefühl, das deine Stress-Situation erkennt und (die Erfüllung eines Wunschtraums) auch noch versteht und entsprechend reagiert: "Hart zum Schweiß, sanft zu Dir." Früher war das mal die Domäne der Waschmittel: "Hart zum Schmutz, schonend zur Wolle" oder eben zur "Oberfläche", wenn es denn ein Badreiniger war.

So läßt sich ein Produkt natürlich immer hypen: Ich erfinde einfach ein Paar Gefahren oder Bedrohungen ("Aspirin hilft nicht nur gegen Kopfweh, sondern hilft auch gegen Kopfweh im innern Kopf!" oder "Dr.Müllers Hefe-Extrakt blockiert auch links drehenden Alkohol") und habe auch gleich die Lösung dafür anzubieten. Schon bin ich zum Retter der Welt, oder zumindest der abendländischen Zivilisation aufgestiegen, und habe nebenbei noch ein paar Euro umgesetzt.