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2023-12-10

Im Namen der Moral

Ich bin mir nicht sicher, ob diese Überschrift als Teaser wirklich so gut ist, wie ich mir das vorgestellt habe. Es geht natürlich nicht um meine Vorstellung, sondern um das, was sich die Leser dieses Wiki-Beitrags dabei vorstellen und erwarten. Von daher dürfen jetzt alle mal vor dem Weiterlesen für drei Sekunden innerlich einen Schritt zurücktreten und sich überlegen, was sie denn erwarten.

Kommt da jetzt ein berechtigter, hoffnungsvoller Appell an den Änderungswillen der Aufrechten? Wird Moral also positiv gesehen, als innerer Antrieb, der deutlich mehr und langatmiger etwas bewirken kann, als es eine Belohnung oder Bezahlung könnte? Oder geht es um die negative Seite der Moral und es kommt wieder eines jener exemplarischen Beispiele von Doppelmoral, auf die man heute in Zeiten der schnell aufflammenden Empörung an jeder Ecke trifft. "An jeder Ecke" ist noch eine Begrifflichkeit aus dem letzten Jahrhundert als es noch so etwas wie eine Eckkneipe mit einem aufgebrachten Stammtisch oder einen Kiosk an der Ecke mit der mindestens genauso aufgebrachten und empörten BILD Schlagzeile gab. Aber die Diskussion, ob das Internet Ecken hat, will ich hier jetzt nicht beginnen.

Nein, und ich sage nichts zur Ampel-Koalition und auch nichts über Greta Thunberg. Eine Aussage zu Greta wäre ja ohnehin eher eine Aussage über uns selber, weil unser schlechtes Gewissen schon immer heimlich auf den Moment gewartet hat, wo sie vom moralischen Thron fällt.

Es ist viel banaler. Mir geht es um die Empörung in den ZEIT Leserbriefen über das Forum, das man den dopenden Radrennfahrern Amstrong und Ullrich im Magazin geboten hat. Das Interview hat auch bei mir an einigen Stellen ein komisches Gefühl ausgelöst, weil sich da zwei hinstellen und mehr oder minder sagen "seht, wie (gut) wir aus unseren Fehlern gelernt haben". Dürfen die das jetzt schon? Wäre da nicht etwas mehr Zerknirschung und schuldbewußte Zurückhaltung angebrachter?

Nun ja, wir haben sie als die Spitze eines Systems von systematischen Doping zu dem personifizierten Bösen gemacht, das man bestrafen muss. Dabei sind wir als Zuschauer und Konsumenten der Übertragungs-Maschinerie bei einer Tour de France auch selber Teil des Systems. Ich fand es auch immer sehr verstörend, dass nach einem aufgedeckten Doping-Skandal die Telekom oder andere Sponsoren Straf- oder Rückzahlungen von dem Rennfahrer verlangten. Tagelang war das mit Sponsoren-Logos zugekleisterte Trikot des Fahrers in allen Fernsehkameras und auf dem Siegerpodest zu sehen und hat den Verkauf von Telekom Produkten gefördert, da haben die Sponsoren ja schon ihren Umsatz mit gemacht. Aber vielleicht unterschätze ich da einfach den Kapitalismus und es ist eben nun mal so, wenn einer im Controlling feststellt, dass sich da an einer Stelle beim Einkauf Kosten einsparen lassen, indem man in einem alten Werbevertrag eine Klausel findet, die besagt, das Werbegelder nur ausgezahlt werden, wenn sich der Werbende rechtlich und moralisch einwandfrei verhält, dann wird da auch gespart und das bezahlte Geld zurück gefordert.

RolF