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2021-11-21

Betrachtungen eines Impf-Skeptikers

Die Entrüstung war ja in den letzten Tagen mal wieder groß, weil in den Koalitionsverhandlungen die derzeitige /epidemische Lage von nationaler Tragweite/ auslaufen soll. Das sei doch angesichts der exponentiell steigenden Inzidenz-Zahlen das falsche Zeichen und nicht zu rechtfertigen. Das beleidigt mich dann allerdings schon ein bisschen, wenn mir unterstellt wird, dass ich annehmen würde, dass die pandemische Notlage vorbei ist, nur weil die Rechtslage wieder insoweit normalisiert wird, dass einige Beschlüsse nun wieder den – vom Grundsatz der Gewaltenteilung so vorgesehenen – Weg über Zustimmung im Parlament nehmen müssen und nicht mehr direkt von der Bundesregierung oder der Landesregierung verordnet werden können. Zugegeben, dass im Zuge der Beendigung auch von einem Freedom Day geredet wurde, war unglücklich. Zumal auch nicht präzisiert wurde, dass damit free as in free speech and not as in free beer gemeint ist. Also nicht ausgelassenes Feiern sondern mehr Eigenverantwortung.

Ein analoges Kommunikationsproblem gibt es aber auch auf der anderen Seite. Es ist naheliegend, dass ein Gesundheitsminister, Inzidenzen von 500 und mehr nicht einfach so unkommentiert stehen lassen kann und, vom Aktionismus gedrängt, darauf verweist, dass 90% der Patienten auf den Intensivstationen Ungeimpfte sind. Und damit indirekt vermittelt: "Das mit den Ungeimpften, das muss aufhören, das sind die Pandemie-Treiber." Das könnte man aber auch gerade anders herum sehen: Bei einem Ungeimpften ist es viel wahrscheinlicher, dass sich Covid Symptome zeigen und dass er sogar in die kontrollierte Quarantäne ins Krankenhaus kommt, während ein Geimpfter vielleicht, ohne es selber zu merken, das Virus verbreitet. Ja, ich kann schon in den 2 oder 3 Tagen, bevor sich bei mir Symptome zeigen, ansteckend sein, andererseits wird sich aber ein Ungeimpfter auch weitaus häufiger testen, weil ihn nun mal die aktuellen Regelungen dazu anhalten und hat damit mehr Chancen festzustellen, ob er das Virus in sich trägt und auch potentiell weiter geben könnte.

Und wenn Jens Spahn sagt, früher oder später werden sich alle Ungeimpften angestecken, dann klingt er damit zwar so ähnlich wie der Chor der Wissenschaftler, aber es gibt da einen feinen Unterschied, wenn man hört, was Christian Drosten im ZEIT Interview am 11.11.2021 auf die Frage, ob er glaube, dass sich irgendwann jeder ansteckt, antwortet:

Ich halte das für unausweichlich. Wir werden uns alle -- hoffentlich auf dem Fundament einer vollständigen Impfimmunisierung -- irgendwann anstecken müssen, schon damit wir eine relevante Immunisierung kriegen.

und im gleichen Interview an andere Stelle bemerkt er:

Es gibt im Moment ein Narrativ, das ich für vollkommen falsch halte: Die Pandemie der Ungeimpften. Wir haben keine Pandemie der Ungeimpften, wir haben eine Pandemie. […] Wir haben eine Pandemie, zu der alle beitragen – auch die Geimpften, wenn auch etwas weniger.

Und damit wären wir endlich beim Skeptizismus vom Anfang. Den trifft man nämlich viel zu selten. Die gängigen Typen sind die Impfgläubigen, die in der Impfung die Wunderwaffe sehen, die den großen Game-Changer darstellt, und an die sie dann als Politiker auch etliche Versprechungen gehängt haben. Und auf der anderen Seite stehen die Impfverweigerer. Dass so viele Politiker Juristen sind, rächt sich hier, denn ein Semester naturwissenschaftliches Studium reicht eigentlich, um zu wissen, dass dieser Wunderwaffen-Scheinwerfer auf die Impfung alles andere als gute wissenschaftliche Arbeitsbedingungen hervorbringt. Das tägliche Brot der Naturwissenschaft ist eben: Hypothese – Verifizierung oder Falsifizierung. Und das halt nicht nur einmal, sondern mehrmals und reproduzierbar.

Also habe ich mich auf meine Physiker-Tugenden besonnen und mich auf den Weg zum Arzt und zum Antikörper-Test gemacht, denn ich wusste zwar, dass ich eine "vollständige" (also eine zweifache) Impfung habe. Aber über die Impfimmunisierung von der Drosten spricht, wusste ich nichts. Merke: Impfungen sind das, was von jedem zählbar ist, Impfimmunisierung ist das, was messbar ist – im Labor per Blutuntersuchung. Bei mir waren das 1226 BAU/ml, oder klangvoller binding antibody units pro Milliliter. Laut Ausage vom Arzt mehr als passabel. Damit war ich nicht nur der wissenschaftlichen Redlichkeit gefolgt – das wäre ich auch wenn der Wert bei 80 oder 120 gelegen hätte, sondern habe mich auch von dem insgeheimen Verdacht befreit, ein unbemerkter Superspreader zu sein.

Und die Impfung ist damit als nützliches Hilfsmittel zur Immunisierung wieder auf dem Boden der (überprüfbaren) Tatsachen zurück. Da wo sie sein soll.

RolF