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2012-11-27

Der alltägliche Faschismus

Wer jetzt einen Bericht aus dem Leben des Blockwarts von Neureut erwartet, auch bekannt als der wachsame Nachbar, den muss ich leider enttäuschen. Der alltägliche Faschismus kommt nämlich ganz ohne Personal, also ohne Faschisten aus. Und natürlich begegnet er einem im Straßenverkehr – wo auch sonst? Aber nicht belehrend hupende Autofahrer oder andere der üblichen Verdächtigen sind das Übel, sondern kleine, fast unsichtbare Schilder mit grüner Schrift.

Diese grüne Schrift auf weißem Grund hat sich nämlich für die Beschilderung von Radwegen etabliert. An sich ist das ja was durchaus positives, wenn ich aus Durlach rausfahre und weiß, dass ich noch 26 Kilometer bis Pforzheim vor mir habe. Aber heute starrte mich doch tatsächlich ein Schild mit der Aufschrift "Alle Richtungen" an. "Häh? Ich will aber wissen, ob ich durch diese blöde Unterführung nach Grötzingen oder nach Durlach komme. Ich will ein Schild lesen, auf das ich innerlich als mündiger Bürger 'Ja, richtig' antworten kann." Als Radfahrer, der an jeder dritten roten Ampel die konkret gelebte Anarchie am Leben erhält, ist mir nichts mehr zuwider als ein stumpfes, befehlendes "Da lang!" Für Autofahrer mag das ja noch angehen, die haben sich ja eh dem kaum kaschierten Faschismus der Verkehrsregeln unterworfen. Achtung, wenn Verkehrsregeln als faschistisch bezeichnet werden, heißt das nicht, dass sie allesamt unsinnig wären. Es kommt aber nicht nur darauf an, was sie bewirken -- eben die Regelung des Verkehrs – sondern auch, was sie an Empfindungen hervorrufen. Und das sind eben bei den meisten Menschen die unangenehmsten Unterdrückungsgefühle. Vor allen Dingen weil der normal-sterbliche Radfahrer eben nicht mal schnell einen U-Turn hinlegt und die 3 Kilometer zurückfährt, wenn er feststellt, dass bei alle Grötzingen eben doch nicht dabei war.

Die Lösung findet sich in dem, was die Münchner Lach- und Schießgesellschaft mal irgendwann in den 80-ern formuliert hat: Ich bin für Selbstbeherrschung als kleinstmögliche Form von Faschismus. Und daran halte ich mich. Vor allen Dingen dann, wenn ich mal wieder vor einer roten Fahrradampel stehe, während die Autos, die in der gleichen Richtung wie ich unterwegs sind, ungerührt über die grüne Ampel fahren. Keine Ahnung, warum das so sein muss, dass die Fahrradampeln solange rot sind, bis jemand vorbei kommt und auf den Ruftaster drückt. Wieso können die nicht synchron zu den Autoampeln auch auf grün schalten. Verbraucht das rote Ampellicht weniger Energie? Oder haben sie die Ampeln so billig eingekauft, dass sie jeden Schaltvorgang einsparen müssen, weil sonst die Lebenszeit um ein Drittel zurückginge?

Ich finde schon, dass das Selbstbeherrschung ist, dass ich an so einer Ampel noch nie den Baseball-Schläger ausgepackt habe, und in wildem Amoklauf auf den Ruftaster eingeprügelt habe.

RolF