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2010-10-06

Fahrstuhl zur Demokratie

Kennt man eine kennt man alle! Das gilt nicht nur für diverse Fernseh- und Promi-Zeitschriften wie das "Neue Blatt", die "Bunte" oder "hörzu", sondern auch für jene Heftchen, die von den Krankenkassen ins Haus geflattert kommen. Die Kassenzeitschriften nennen sich "Bleib gesund", "Wir sind für Sie da" und beschränken sich im Gegensatz zur oben erwähnten Kategorie auf nationale Prominenz. Es gibt nur ein Preisrätsel und nicht deren fünf und statt einem Auto oder einem Gehörgang gefährdenden iPod gibt es eine Reise ins Allgäu zu gewinnen. Gesundheitstipps gibt es aber gleichermaßen zuhauf.

Derart vorgeprägt ("Gönnen Sie Ihrem Auto eine Pause und dafür Ihrem Körper ein Intensiv-Walking", "Freuen Sie sich über jede Treppe auf dem Weg zur Arbeit") fiel mir vor Erstaunen die Kinnlade runter, als die Dame an der AOK Rezeption mir zu verstehen gab, dass Zahnersatz im 1.OG abgewickelt wird: "… der Aufzug ist da hinten!" Mein langes Gesicht wurde noch länger, als ich dahinten wohl den Fahrstuhl, aber weit und breit keine Treppe fand. "Für eine Etage steig ich doch nicht in den Fahrstuhl! Statt Ruhepuls 90, Herzinfarkt im Fahrstuhl. Davor hat mich doch 'Bleib gesund' immer gewarnt."

Aber nix ging. Die Sachbearbeiterin hat mir dann die Zusammenhänge erklärt: Der Aufzug fährt nur in den ersten Stock – für normal Sterbliche. Mit einem Chip-Key kommt man auch höher. Die Treppe, die irgendwo ums Eck sei, hat aber solch eine Beschränkung nicht und ist deshalb nur für Mitarbeiter vorgesehen. Und jetzt kommt's: Oben seien nämlich Büros mit erweitertem Aktenbestand, aus Datenschutzgründen darf da kein Besucher hoch. Und diesen Zugangsschutz gewährleistet halt der Chip bewährte Fahrstuhl. Falls aber jemand partout nicht mit dem Aufzug fahren kann – aus innerer Überzeugung, so ein Scheiß nicht zu machen, ist aber nicht partout genug – dann könnte auch ein AOK-Mitarbeiter als treppenbegleitende Aufsichtsperson abgestellt werden.

So unglaublich diese Begründung auch ist, eins muß man ihnen lassen: Sie wissen, an welchen Punkten der Bürger zu packen ist. "Wir wollen nicht Ihre Beitragsgelder verschwenden und deshalb sparen wir uns die Putzfrau fürs Treppenhaus" hät mich doch kalt gelassen, aber bei Datenschutz, da schrillen bei mir gleich die Alarmglocken. Meine Freiheit, die ist mir was wert.

Also lerne ich daraus was fürs Leben und werde beim nächsten Vorsprechen beim Arzt oder der Kasse auch die Datenschutz-Keule hervorholen: "Wie? Sie machen sich erhebliche Sorgen, weil meine Leberwerte im Arsch sind? Sie erwägen, mich in eine höhere Beitragsstufe einzuordnen? Nix geht! Datenschutz! Da kann ich nichts dran ändern. Ich muß jeden Abend 5 Bier und 2 Korn trinken, damit ich die ganzen IP-Adressen, die sich da den Tag über aus den Webserver-Logs in mein Hirn geschlichen haben, wieder los werde."

RolF